Karljosef Schattner
Eichstätt - eine Kleinstadt an der nördlichen Spitze Oberbayerns und zugleich ein Ereignis von kosmopolitischem Rang. Karljosef Schattner, Jahrgang 1924, zeichnet hauptsächlich verantwortlich für diese bemerkenswerte Entwicklung. Er war 35 Jahre lang Diözesanbaumeister, d.h. oberster Baubeamter der Katholischen Kirche der Diözese Eichstätt. Karljosef Schattner machte die kleine Universitätsstadt zu Europas architektonischem Sonderfall.
Nach den Baumeistern des Mittelalters und nach Angelini, Gabrieli und Pedetti, den drei Eichstätter Meistern des Barock, schenkte Karljosef Schattner der Stadt zum dritten Mal einen Höhepunkt der Architektur. Es ist die einzigartige Koalition der Stile, der Eichstätt seinen besonderen Ruf verdankt: ein perfektes Ensemble aus mittelalterlichem Grundriss, fast vollständig erhaltene Residenz- und Sakralbauten italienisch barocker Provenienz, das Ganze durchsetzt mit einer erstaunlichen Fülle moderner Architektur. Eine perfekte Symbiose zwischen barocker Üppigkeit und schnörkelloser Strenge.
Schattners Genie besteht einerseits im schöpferischen Umgang mit historischer Bausubstanz und andererseits in – der Moderne verpflichteter – kreativer Baukunst. Schattner gilt als Meister des trennenden Zusammenfügens – er selbst nannte es später frei nach Bach „Die Kunst der Fuge“ und spielt auf sein Talent an, Neues mit Altem kongenial zu verbinden. Im Widerspruch zur üblichen, weil populären Anpassungsarchitektur, die Altes wie neu und Neues wie alt aussehen lässt, arbeitete er mit gestalterischen Gegensätzen. Das tat er nicht aus modischer Überheblichkeit, sondern um dem authentisch Alten mit authentischer Zeitgenossenschaft zu antworten. Deshalb hat Schattner Stahl statt Stein verwendet, Beton und Glas statt Mauerwerk, Lochbleche statt Holz.
„Die Gegenwart leugnen hieße die Geschichte leugnen.“
Da Schattner Bindungen und Beziehungen aufnimmt, vom Städtebau und Material bis zur Geschichte und Landschaft, ist seine Architektur nie ortlos, international, beliebig, oder nur individuelles Markenzeichen wie so häufig sonst in der modernen Architektur. Den Verächtern heutiger Architektur hat er vorgehalten: „Die Gegenwart leugnen hieße die Geschichte leugnen.“
Schattner betonte immer wieder die zwei günstigen Voraussetzungen für seine Arbeit: Zum einen die Bauherrn, denen es nicht um Profit ging, sondern um zeitgemäße Baukultur. Zum andern die Spezialbetriebe des Handwerks und der Industrie in der Region, mit denen schwierige Aufgaben zu lösen waren. Karljosef Schattner hat aber auch dafür gesorgt, dass gute Architektur nach Eichstätt kam. Er hat Wettbewerbe angeregt und Einfluß darauf genommen, welche Architekten zu Projekten eingeladen wurden – es sollten schon Kollegen sein, die ähnlich offen und sensibel arbeiteten wie er selbst. Auf diese Weise ist Eichstätt zu einem Wallfahrtsort für heutiges Bauen geworden – eine Architekturwelt für sich, der nichts Vergleichbares in Deutschland an die Seite gestellt werden kann.
Für seine Verdienste wurde dem Diözesanbaumeister a.D. Karl-Josef Schattner am 21. Februar 2008 der Titel des Ehrenbürgers der Stadt Eichstätt verliehen. Schattner verstarb am 10. April 2012.
Bischöfliches Seminar/ Collegium Willibaldinum
Karljosef Schattner, Norbert Diezinger, Jörg Homeier Die Architekten entschieden sich für einen axial auf den alten Komplex des Priesterseminars bezogenen Anbau. In seinen drei Flügeln nimmt er Einzelzimmer für 72 Studenten auf. Ursprünglich sollte der Neubau Flachdächer Die Verbindung ...
Diözesanarchiv
Karljosef Schattner 1994 Das letzte Werk von Karljosef Schattner in Eichstätt. Umgestaltetes Domherrenpalais von 1723. In den Hof wurde ein Magazingebäude eingesetzt.
Domdekanei
Karljosef Schattner 1976-1978 Kontrastreiche Verbindung von alter Bausubstanz und neuen Elementen. Die frühere Domdekanei beherbert heute die Caritasverwaltung und Wohnräume. Die ehemalige Domdekanei ist ein Barockbau am Residenzplatz, der in den Jahren 1730-1740 auf den Mauerresten eines ...
ehem. Gärtnerhaus und Orangerie - Rechenzentrum und Journalistikgebäude der Katholischen Universität
Gabriel de Gabrieli 1737/38 Karljosef Schattner, Wilhelm Huber, Norbert Diezinger 1985-1987 Das schlichte, der Sommerresidenz zugeordnete Nebengebäude war ursprünglich eine Dreiflügelanlage. Es wurde 1737/38 von Gabrieli als Wohnung des Gärtners, als Orangerie und wohl auch als Küche ...
Ehem. Staats- und Bischöfliche Seminarbibliothek - Teilbibliothek III der KU Eichstätt-Ingolstadt
Karljosef Schattner und Andreas Fürsich. 1963 bis 1965 Seit dem Umzug der zentralen Bibliotheksbestände in die 1987 errichtete Zentralbibliothek dient das Gebäude als Teilbibliothek 3 mit Handschriftenabteilung und Grafischer Sammlung. Zu den Beständen zählen neben ca. 100.000 Einheiten an ...
Ehemaliges Waisenhaus
Karljosef Schattner Der riesige Komplex am Eingang zur Ostenvorstadt war ab 1758 eine Einrichtung sozialer Fürsorge. Maurizio Pedetti vollendete bis 1769 den Um- bzw. Neubau. Seit den 40er Jahren des 20. Jhs. herrschte Leerstand mit der Folge einer sukzessiven Ruinierung des Bestandes. Die ...
Kollegiengebäude der Katholischen Universität
Karljosef Schattner und Josef Elfinger 1960-1980 Die Gebäude gruppieren sich um einen campusartigen inneren Hof, bilden aber zugleich zur Ostenstraße und zum Hofgarten hin sorgfältig komponierte Außenräume.
Teilbibliothek I der KU Eichstätt-Ingolstadt ("Ulmer Hof")
Karl Josef Schattner, Jörg Homeier 1978-1980 Die stattliche Anlage des "Ulmer Hofs" geht auf einen Domherrrenhof des späten Mittelalters zurück. Seine heutige Gestalt erlangte er durch die Überformung durch den Hofbaumeister Jakob Engel im Jahr 1688. Die Katholische Universität übernahm ...
Vita
1924 geboren in Gommern/Magdeburg 1942 - 1945 Kriegsdienst, Verwundung 1949 - 1953 Architekturstudium an der Technischen Hochschule München 1957 - 1992 Aufbau und Leitung des Diözesanbauamtes 1985 - 1994 Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Darmstadt 1989 – 1991 Gastprofessor ETH Zürich 1997 Bundesverdienstkreuz seit 1998 Ehrensenator der Kath. Universität Eichstätt
Karljosef Schattner über sein Architekturverständnis
„Ich meine, dass der Dialog zwischen dem Heute und Gestern notwendig ist und eine Auseinandersetzung zwischen beiden stattfinden muß. Die Anpassung und noch so geschickt verpackte Imitation wird vorhandene historische Architektur entwerten. Wir kommen nicht umhin, mit unseren Mitteln, unseren Konstruktionen durch den Horizont unserer Zeit begrenzt, unsere Aufgaben zu lösen. Wir werden dabei erfahren, dass durch eine Nachbarschaft moderner Architektur neue Anregungen für das Wahrnehmen, das Erkennen bislang unbekannter Eigenschaften historischer Architektur möglich gemacht wird. Architektur löste und löst immer dieselben Probleme: Material und dessen Struktur geltend zu machen. Rhythmus, Symmetrie und Asymmetrie anzuwenden. Licht und Schatten auszunutzen. Die Tektonik der architektonischen Massen, ihres Maßstabes und der wechselseitigen Proportionalität ihrer Bauteile einzusetzen. Gerade die Vielfältigkeit und Vielseitigkeit historischer Architektur verlangt, dass wir mit Phantasie und Freunde darauf reagieren. Wir müssen mit unseren Erfindungen und unseren Wünschen an die historischen Gebilde herangehen und sie lebendig machen. Der Wert, der von historischer Architektur ausgeht, liegt in der Vielfalt der Details, liegt in der Qualität derselben. Es ist interessant, zu beobachten, wie unterschiedlich scheinbar gleiche Elemente sind. Diese Differenzierung macht den Reiz historischer Städte aus. Hierüber entsteht eine Individualität, die aber eine übergeordnete Verbindlichkeit nicht leugnet. Dies alles ist aus einer Geisteshaltung heraus entstanden und war niemals Tarnung. Ich meine, dass es auch heute möglich sein muß, die Probleme zu lösen allerdings nicht über die Tarnung und nicht über einen falsch verstandenen Individualismus, der im Grunde Egoismus ist.“