Nach den Baumeistern des Mittelalters und nach Angelini, Gabrieli und Pedetti, den drei Eichstätter Meistern des Barock, schenkte Karljosef Schattner der Stadt zum dritten Mal einen Höhepunkt der Architektur. Es ist die einzigartige Koalition der Stile, der Eichstätt seinen besonderen Ruf verdankt: ein perfektes Ensemble aus mittelalterlichem Grundriss, fast vollständig erhaltene Residenz- und Sakralbauten italienisch barocker Provenienz, das Ganze durchsetzt mit einer erstaunlichen Fülle moderner Architektur.
Eine perfekte Symbiose zwischen barocker Üppigkeit und schnörkelloser Strenge. Schattners Genie besteht einerseits im schöpferischen Umgang mit historischer Bausubstanz und andererseits in – der Moderne verpflichteter - kreativer Baukunst. Schattner gilt als Meister des trennenden Zusammenfügens – er selbst nannte es später frei nach Bach „Die Kunst der Fuge“ und spielt auf sein Talent an, Neues mit Altem kongenial zu verbinden. Im Widerspruch zur üblichen, weil populären Anpassungsarchitektur, die Altes wie neu und Neues wie alt aussehen lässt, arbeitete er mit gestalterischen Gegensätzen. Das tat er nicht aus modischer Überheblichkeit, sondern um dem authentisch Alten mit authentischer Zeitgenossenschaft zu antworten. Deshalb hat Schattner Stahl statt Stein verwendet, Beton und Glas statt Mauerwerk, Lochbleche statt Holz.
Da Schattner Bindungen und Beziehungen aufnimmt, vom Städtebau und Material bis zur Geschichte und Landschaft, ist seine Architektur nie ortlos, international, beliebig, oder nur individuelles Markenzeichen wie so häufig sonst in der modernen Architektur. Den Verächtern heutiger Architektur hat er vorgehalten: „Die Gegenwart leugnen hieße die Geschichte leugnen.“ Schattner betonte immer wieder die zwei günstigen Voraussetzungen für seine Arbeit: Zum einen die Bauherrn, denen es nicht um Profit ging, sondern um zeitgemäße Baukultur. Zum andern die Spezialbetriebe des Handwerks und der Industrie in der Region, mit denen schwierige Aufgaben zu lösen waren.
Karljosef Schattner hat aber auch dafür gesorgt, dass gute Architektur nach Eichstätt kam. Er hat Wettbewerbe angeregt und Einfluß darauf genommen, welche Architekten zu Projekten eingeladen wurden – es sollten schon Kollegen sein, die ähnlich offen und sensibel arbeiteten wie er selbst. Auf diese Weise ist Eichstätt zu einem Wallfahrtsort für heutiges Bauen geworden – eine Architekturwelt für sich, der nichts Vergleichbares in Deutschland an die Seite gestellt werden kann.
Vita: 1924 geboren in Gommern/Magdeburg 1942 - 1945 Kriegsdienst, Verwundung 1949 - 1953 Architekturstudium an der Technischen Hochschule München 1957 - 1992 Aufbau und Leitung des Diözesanbauamtes 1985 - 1994 Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Darmstadt 1989 – 1991 Gastprofessor ETH Zürich 1997 Bundesverdienstkreuz seit 1998 Ehrensenator der Kath. Universität Eichstätt.
Karljosef Schattner: „Ich meine, dass der Dialog zwischen dem Heute und Gestern notwendig ist und eine Auseinandersetzung zwischen beiden stattfinden muß. Die Anpassung und noch so geschickt verpackte Imitation wird vorhandene historische Architektur entwerten. Wir kommen nicht umhin, mit unseren Mitteln, unseren Konstruktionen durch den Horizont unserer Zeit begrenzt, unsere Aufgaben zu lösen. Wir werden dabei erfahren, dass durch eine Nachbarschaft moderner Architektur neue Anregungen für das Wahrnehmen, das Erkennen bislang unbekannter Eigenschaften historischer Architektur möglich gemacht wird. Architektur löste und löst immer dieselben Probleme: Material und dessen Struktur geltend zu machen. Rhythmus, Symmetrie und Asymmetrie anzuwenden. Licht und Schatten auszunutzen. Die Tektonik der architektonischen Massen, ihres Maßstabes und der wechselseitigen Proportionalität ihrer Bauteile einzusetzen. Gerade die Vielfältigkeit und Vielseitigkeit historischer Architektur verlangt, dass wir mit Phantasie und Freunde darauf reagieren. Wir müssen mit unseren Erfindungen und unseren Wünschen an die historischen Gebilde herangehen und sie lebendig machen. Der Wert, der von historischer Architektur ausgeht, liegt in der Vielfalt der Details, liegt in der Qualität derselben. Es ist interessant, zu beobachten, wie unterschiedlich scheinbar gleiche Elemente sind. Diese Differenzierung macht den Reiz historischer Städte aus. Hierüber entsteht eine Individualität, die aber eine übergeordnete Verbindlichkeit nicht leugnet. Dies alles ist aus einer Geisteshaltung heraus entstanden und war niemals Tarnung. Ich meine, dass es auch heute möglich sein muß, die Probleme zu lösen allerdings nicht über die Tarnung und nicht über einen falsch verstandenen Individualismus, der im Grunde Egoismus ist.“